Achtung, Technik! Bei uns im VHH-Blog kommen auch Experten zu Wort – diesmal unser Kollege Peter Siemers von der VHH-Informationstechtik. Er kennt alle  Hintergründe zur Ampel-Beeinflussung, der sogenannten LSA-Beeinflussung. Sie spielt beim Projekt „Hamburgtakt“ eine wichtige Rolle. Hierdurch werden die Ampelphasen verkürzt oder verlängert – der Bus kommt so schneller durch. Wie das genau funktioniert, erklären wir hier…

 

Abkürzungen:

LSALichtsignalanlagen (auch bekannt als Ampel)
RBLRechnergestütztes Betriebsleitsystem
IBISIntegriertes Bordinformationssystem
GPSGlobal Positioning System
Ö(PN)VÖffentlicher (Personen Nah-)Verkehr

 

Von Signalen bis zum Funk

Ursprünglich zur Ansteuerung von Weichen und Signalen bei der Straßenbahn eingesetzt, wurde durch die rasant voranschreitende Entwicklung des RBL-Datenfunks und der On-Board-Technologien (Bordrechner, Ortsbaken, IBIS) zu Beginn der 1980er-Jahre die Beeinflussung von Lichtsignalanlagen (LSA) über den RBL-Datenfunk technisch verfügbar. Heute ist die bedarfsgesteuerte Beeinflussung von Lichtsignalanlagen durch Fahrzeuge des ÖPNV ein elementarer Bestandteil der  „Strategie Bus“ und ein Standard in modernen Verkehrsnetzen.

In der Hansestadt Hamburg wurde bereits zu Beginn der 1990er-Jahre die Beeinflussung von Lichtsignalanlagen durch Busse des ÖPNV auf den Weg gebracht. Im Jahre 1992 wurde erstmals bedarfsgesteuerte LSA-Beeinflussung, mit Infrarot-Baken als Ortungsreferenz, bei der VHH eingesetzt, zunächst mit einigen wenigen Bussen im Bereich des Betriebshofs Glinde.

Im Frühjahr 1993 wurden alle Fahrzeuge der Betriebshöfe Glinde und Ahrensburg entsprechend aufgerüstet. Die Linienführung der Linien 163 und 263 von/ nach Wandsbek-Markt im Zuge der Rodigallee diente, neben einer weiteren Strecke in Altona, als Pilotstrecke für die LSA-Beeinflussung im HVV. Im Zuge der Umsetzung des unternehmensweiten Gleichwellen-Betriebsfunks wurden in den Jahren 1996/97 alle VHH-Linienbusse mit Komponenten zur LSA-Beeinflussung ausgestattet. Mit Einführung des Rechnergestützten Betriebsleitsystems (RBL) ab Mitte 2003 wurde die Ortungsreferenz auf das Satellitengestützte System GPS umgestellt, die Infrarot-Baken hatten ausgedient. Bei der VHH sind heute grundsätzlich alle RBL-fähigen Linienbusse mit LSA-Beeinflussung ausgestattet.

 

Wie funktioniert die LSA-Beeinflussung?

Die Maßnahmen zur Ampel-Beeinflussung laufen im Bus automatisch ab. Voraussetzung ist, dass der Bus auf einer Linienfahrt angemeldet ist, in deren Verlauf sich beeinflussbare Lichtsignalanlagen befinden. Bei Leer-, Einsetz- oder Aussetzfahrten ist LSA-Beeinflussung übrigens nicht möglich.

Die Ansteuerung der Lichtsignalanlagen erfolgt durch das Aussenden von Datentelegrammen über den analogen Datenfunk. Diese werden an Meldepunkte gesendet. Das sind virtuelle Punkte auf der Strecke, die in der Planungsphase metergenau definierten wurden. Die gesendeten „Telegramme“ enthalten, neben den Informationen über den Meldepunkt, auch die Linien- und Kursnummer des anfordernden Fahrzeugs. Diese Aufgabe übernimmt, ebenso wie das Frequenzmanagement des Funkgerätes, der RBL-Bordrechner. Die exakte und zuverlässige Ortung des Busses durch den Bordrechner ist dabei von großer Wichtigkeit.

Ob eine Ampelanlage für die Beeinflussung durch den ÖPNV überhaupt technisch ausgerüstet wird, liegt im Ermessen und in der Zuständigkeit der jeweiligen Betreiber (Länder, Kreise, Kommunen). Erfreulicherweise ist ein positiver Trend hin zur vermehrten Einrichtung von LSA-Beeinflussung zu erkennen. Die VHH sind hier gegenüber den Betreibern beratend tätig und unterstützen bei der technischen Planung und Umsetzung.

 


Wichtig zu wissen:

• LSA-Beeinflussung bedeutet nicht, nie wieder vor einer roten Ampel zu stehen. Der Beschleunigungseffekt entsteht vielmehr durch die Verkürzung der Standzeiten an der Lichtsignalanlage.

• Es gibt keine 100%-ige Garantie, dass jede Linienfahrt auch immer „beschleunigt“ wird, da bei der Berechnung der Schaltphasen in der Lichtsignalanlage auch der Individualverkehr (wenn auch mit geringerer Priorität) und Fußgängeranforderungen etc. mit einbezogen werden.

• Das „A-Signal“, wo vorhanden,  leuchtet, sobald der Steuerungsrechner der LSA ein gültiges Datentelegramm von unseren Bussen empfangen hat, auch wenn unter Umständen keine Beschleunigungsmaßnahmen stattfinden.


 

Wie wird eine Ampel-Beeinflussung geplant?

Zunächst wird ermittelt, wie stark eine Kreuzung frequentiert ist (ÖPNV, Individualverkehr, Fußgänger, Radfahrer). Dies wird mittels Verkehrszählungen detailliert erfasst. Anhand dieser Zahlen berechnet ein Verkehrsplaner die Gestaltung der Schaltphasen, sowie die Anzahl und Lage der notwendigen Meldepunkte (an diesen Punkten senden wir später unsere Datentelegramme). Diese werden in sogenannten Meldepunktketten logisch zusammengefasst. In der Regel handelt es sich um Voranmeldung, Hauptanmeldung und Abmeldung. Liegt eine Haltestelle unmittelbar vor einer LSA, wird ein Türschließsignal vorgesehen. Halten wir an dieser Haltestelle einmal nicht, so senden wir stattdessen ein Ersatzsignal. Einfluss nimmt auch die ÖV-Frequentierung der Kreuzung: Nähern sich zwei Busse aus verschiedenen Richtungen einer Kreuzung, „gewinnt“ grundsätzlich die (zeitlich) erste Anmeldung. Bei Bedarf können jedoch auch Prioritäten gesetzt werden (z.B. Schnellbus vor Stadtbus, Linie X vor Linie Y etc.).

Diese theoretischen Werte werden dann von VHH-Mitarbeiter*innen an die Realität auf der Strecke angepasst, so werden beispielweise die Geo-Koordinaten der Meldepunkte ermittelt und die realen Abstände der Streckenpunkte zueinander eingemessen. Ebenso werden die funktechnischen Parameter, wie die Bestimmung von Sendefrequenzen, Sendeleistung und Taktung, angepasst. Die abgestimmten Daten werden in die Bordrechner-Software implementiert und, nach entsprechender Programmierung der LSA-Steuerungslogik, mittels Testfahrten auf der Strecke nochmals überprüft und ggf. angepasst, bevor die Daten auf die Busflotte übertragen werden.

 

Der aktuelle Stand zur Ampel-Beeinflussung

Aktuell pflegen wir bei der VHH weit über 900 LSA-Meldepunkte in unseren Bordrechner-Daten. Die Ampel-Beeinflussung finden wir im gesamten Bedienungsgebiet, sowohl an Einzelanlagen als auch in komplexen Streckenabschnitten, wie z.B. auf der Linie 21, in Norderstedt, Geesthacht oder Ahrensburg.

Die Beeinflussung von Lichtsignalanlagen ist also eine hochkomplexe Technik, bei der alle Teilsysteme, sowohl im Bus als auch an den Stationären Anlagen, einwandfrei miteinander funktionieren müssen.

 

Titelbild: Christian Hinkelmann