Im Rahmen des Modellprojekts „Auf dem Weg zum Hamburg Takt“ (AWHT) entwickelt vhh.mobility, Deutschlands drittgrößte kommunale Busbetreiberin, die neue Assistenz-App custom für die barrierefreie Fahrgastinformation. Das Ziel ist es, ein Medium zu schaffen, das Fahrgästen mit Seh- und Hörbehinderung dynamische Fahrgastinformationen an der Bushaltestelle sowie im Fahrzeug zugänglich macht.

 

Barrieren im ÖPNV abbauen

Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen stoßen im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) auf viele Hürden. Informationen sind meist für Fahrgäste ohne Einschränkungen gestaltet, sie sind zum Beispiel an ungünstigen Stellen platziert oder schwer lesbar und hörbar. Auch fehlen oft wichtige Informationen. Gesetzlich vorgeschrieben ist das Zwei-Sinne-Prinzip, das sicherstellt, dass Informationen sowohl visuell als auch akustisch bereitgestellt werden. Das Recht auf Gleichbehandlung ist auch im Verkehr gesetzlich verankert.

Damit der Hamburger Verkehrsverbund (hvv) auch von seh- und hörbehinderten Menschen sicher und selbstständig genutzt werden kann, arbeitet vhh.mobility am Projekt „Entwicklung einer Assistenz-App für seh- und hörbehinderte Fahrgäste“. Es ist Teil des Modellprojekts „Auf dem Weg zum Hamburg-Takt“ (AWHT), einem Bundesförderprogramm des Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV).

 

Assistenz-App zusammen mit Fahrgästen entwickelt

Bei der App-Entwicklung wurden von vhh.mobility von Anfang an die entsprechenden Zielgruppen mit eingebunden. Die programmierten Prototypen wurden also von seheingeschränkten, blinden, schwerhörigen und gehörlosen Menschen getestet. So wird sichergestellt, dass die App custom für die Zielgruppen einen hohen Nutzen bietet.

Über 56 Teilnehmende im Alter zwischen 20 und 72 Jahren, darunter Influencer Erdin (@mr.blindlife) und Vanessa (@meinblindesleben), haben im Test mit vhh.mobility ihre Erfahrungen geteilt. Einige sind völlig blind oder gehörlos, andere haben eingeschränkte Seh- und Hörfähigkeiten. So konnte Feedback von vielen verschiedenen Gruppen berücksichtigt werden.

 

Verbesserungsbedarf erkennen

Blinde und sehbehinderte Teilnehmende berichteten im Rahmen des Projekts von ihren bisherigen Hürden bei der ÖPNV-Nutzung. Einige gaben an, dass sie sich nicht selbstständig auf Reisen vorbereiten können, insbesondere bei unbekannten Haltestellen. Orientierungspunkte wie Leitstreifen sind oft unzuverlässig. Spontane Störungen im Verkehr führen zu Orientierungslosigkeit, ebenso wie das Aus- und Umsteigen an unbekannten Haltestellen.

Hörbehinderte Teilnehmende berichteten von ungleichen Informationsmöglichkeiten. Durchsagen in Fahrzeugen oder an Bahnhöfen stehen oft nicht schriftlich zur Verfügung. Die Haltestellenanzeige auf Monitoren ist meist schwer erkennbar, wenn die Sicht blockiert ist. Wer Durchsagen nicht hören kann, ist benachteiligt.

 

hvv custom App Ansicht

 

Die Funktionen der App custom

Mit der neuen Assistenz-App custom fürs Smartphone kann das sogenannte Zwei-Sinne-Prinzip erfüllt werden. Dabei werden wichtige Informationen, z.B. Haltestellen-Ankündigungen, Abfahrtszeiten und Warnsignale zum einen visuell, also sichtbar, und zum anderen auditiv, also hörbar vermittelt. So wird sichergestellt, dass seh- und höreingeschränkte Fahrgäste alle notwendigen Informationen erhalten und verstehen können.

Insgesamt sollen vier Funktionen in der Assistenz-App umgesetzt werden:

  • Nachbildung des Abfahrtsmonitors auf dem Smartphone
  • Fahrtanmeldung via Leitstelle und Bordcomputer
  • Durchsagen in Text und Gebärdensprache
  • Replizierung und Erweiterung des Busmonitors bzw. des Fahrgastfernsehen auf dem Smartphone

 

Synchronisierung mit anderen Verkehrsunternehmen im hvv

Die App custom von vhh.mobility baut auf bisherigen Erfahrungen im hvv auf. Die S-Bahn Hamburg hat bereits erfolgreich einen Prototyp einer Assistenzanwendung für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelt. Erkenntnisse aus dem Projekt BAFI (Barrierefreie Fahrgastinformationen) wurden vhh.mobility zur Verfügung gestellt und fließen in die App custom mit ein.

Seit 2022 stimmt sich vhh.mobility regelmäßig mit der Hamburger S-Bahn, der Hochbahn und anderen Akteuren im hvv ab. Der Fortschritt der App custom wird geteilt und Erkenntnisse aus weiteren Barrierefreiheitsprojekten werden synchronisiert.

Bis Ende des Jahres 2024 wird die neue Assistenz-App custom in den Betrieb gehen. Für die Folgejahre ist die Ausweitung auf weitere Verkehrsunternehmen im hvv sowie das Aufnehmen weiterer Funktionen geplant.

 

Das steckt hinter dem Design der App custom

Für die neue Assistenz-App, die für seh- und hörgeschädigte Menschen die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs erleichtert, wurde ein einprägsames Logo entworfen. Es führt die einzigartigen Merkmale der App custom visuell zusammen:

  • Die Stecknadel symbolisiert das sichere Erreichen des gewünschten Ortes.
  • Auge und Ohr verdeutlichen, dass die App speziell für seh- und hörgeschädigte Menschen entwickelt wurde.
  • Das Herz zeigt, dass die App es ermöglicht, die Orte und Menschen zu erreichen, die einem am Herzen liegen.

Das Logo der Assistenz-App custom steht damit für Freiheit, Gemeinschaft und Vielfalt und ist durch die ikonischen Symbole leicht wiedererkennbar.

 

Logo-Design der Assistenz-App custom

 

Über das Projekt „Auf dem Weg zum Hamburg Takt“

Im Rahmen des Förderprogramms des BMDV zur Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs wurde das Modellprojekt „Auf dem Weg zum Hamburg Takt“ (AWHT) aus über 160 eingereichten Ideen ausgewählt. Hintergrund der Förderung ist das Klimaschutzprogramm 2030, in dem sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt hat, die Attraktivität des ÖPNV zu steigern, um CO2-Emissionen zu reduzieren.

Die Maßnahmen, die diesbezüglich in Hamburg erprobt werden, werden im Projektzeitraum von 2021 bis 2024 mit rund 29,5 Mio. Euro gefördert und verteilen sich auf sieben Teilprojekte. Diese werden von vhh.mobility, der Hochbahn, MOIA und der HADAG umgesetzt, von der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) koordiniert und vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation wissenschaftlich begleitet.

Gefördert durch: Bundesministerium für Digitales und Verkehr aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

Foto: Shootle GmbH, Laurent Biel